Geldstrafe für Bonner Professor nach Straßenblockade

Niko Froitzheim vor dem Poppelsdorfer Schloss. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat ihn zu einer Geldstrafe für einen Klima-Aktion im April 2022 verurteilt. (Foto: Nicolas Ottersbach)
Von Martin Wein
Bonn/Berlin. Die gewünschte Aufmerksamkeit hat er bekommen. Unter großem Medieninteresse ist am Dienstagvormittag der Bonner Geologieprofessor Niko Froitzheim vom Amtsgericht Berlin Tiergarten als Aktivist für mehr Klimaschutz zu einer Geldstrafe in Höhe von 3600 Euro verurteilt worden. Der 65 Jahre alte Königswinterer hatte Anfang April vergangenen Jahres zusammen mit elf weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der internationalen Gruppe Scientist Rebellion an einer Protestaktion in Berlin teilgenommen. In der Nähe des Regierungsviertels hatten sie die Kronprinzenbrücke blockiert. Die Gruppe protestierte angesichts der parallel stattfindenden Vorstellung des jüngsten IPCC-Klimaberichts gegen die aus ihrer Sicht unzureichenden Anstrengungen der Bundesregierung zum Klimaschutz. Die Staatsanwaltschaft warf Froitzheim daraufhin versuchte Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor.
Die Amtsrichterin erkannte allein den letzten Vorwurf als gegeben an. Bei der Straßenblockade habe es sich schließlich allein um eine symbolische Aktion gehandelt, die von Polizeikräften rasch aufgelöst wurde. „Wir konnten den Vorwurf in der mündlichen Verhandlung widerlegen“, sagte Froitzheim. Die blockierte Straße sei so ausgewählt worden, dass sie leicht umfahren werden konnte. Die Höhe der Strafe setzt sich aus 30 Tagessätzen von je 120 Euro zusammen. Froitzheim ist noch nicht sicher, ob er gegen das Urteil vor dem Landgericht Berlin Widerspruch einlegen wird.
Froitzheim hatte auch vor Gericht mit dem Notstand argumentiert, in dem sich das Weltklima befinde. Die Gegenmaßnahmen der Bundesregierung gegen dessen „rasanten Zusammenbruch“ seien „nicht annähernd ausreichend“ und die Klimaproteste mithin legitim und zum Schutz vor der „existenziellen Bedrohung der Menschheit“ erforderlich. Sein Professorenkollege Marco Bonhoff vom Geoforschungszentrum Potsdam springt ihm bei. Er sagt: Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass die Politik nicht verfassungskonform agiert.“ Es bestehe „überwältigende Einigkeit in der Wissenschaft“ über die Notwendigkeit, umgehend Maßnahmen ergreifen zu müssen. Diese Einigkeit zeigt sich auch in einem offenen Protestbrief, den Froitzheims Bonner Kolleginnen Nadine Marquardt und Lisa Schipper organisiert haben. Darin erklärten sich bis gestern 15 Professorinnen und Professoren der Universität Bonn sowie insgesamt mehr als 200 Professorinnen und Professoren sowie 400 weitere Forschende aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland mit Froitzheim solidarisch. „Als Wissenschaftler*innen und Kolleg*innen stehen wir hinter Niko Froitzheim, hinter seinem Engagement für mehr Bewusstsein um die Dramatik des Klimawandels und seinem Protest für eine gerechte und effektive Klimapolitik. Dieser Einsatz darf nicht kriminalisiert und abgestraft werden“, schreiben sie.
Repressionen gegen Klimaschützer wie Froitzheim seien auch ein Angriff auf kritische, engagierte Wissenschaft. Mittlerweile haben sich zahlreiche weitere Forschende dem Aufruf angeschlossen. Erst den Klimaprotesten sei es zu verdanken, „dass Öffentlichkeit und Politik den Folgen der Erderhitzung mittlerweile mehr Aufmerksamkeit schenken, dass die verantwortlichen Akteure identifiziert und zunehmend in die Verantwortung gezogen werden“. Im Mai habe UN-Generalsekretär António Guterres nach bundesweiten Razzien bei Mitgliedern der Protestbewegung die Bundesrepublik aufgefordert, Aktivisten zu schützen und sie nicht zu drangsalieren.
Der Angeklagte selbst nahm das Berliner Urteil gelassen. Nach einem Pizzaessen mit Kollegen fuhr er zurück nach Bonn, von wo aus er am heutigen Mittwoch mit Studierenden zu einer geologischen Grundlagenexkursion nach Südtirol aufbricht.